Agnes Krumwiede
Kunst und Politik
21.10.2018

Grußwort an die Delegierten der VVN-BdA

Herzlich Willkommen in Ingolstadt! Das ist die Großstadt mit dem schlechtesten Ergebnis für meine Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN bei der vergangenen Landtagswahl und dem besten Ergebnis für die AfD bei der letzten Bundestagswahl. Schön, dass ihr da seid, denn diese Stadt braucht definitiv mehr Antifaschismus!
Der braune Sumpf hat sich aus Ingolstadt nie ganz verabschiedet. Seine Spuren zeigten sich in dem Skandal um den Förderverein des Bayerischen Armeemuseums, auf dessen Internetseite revisionistische und rechtsradikale Texte veröffentlicht wurden. Sie zeigen sich auch bei der revisionistischen zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI), die regelmäßig in Räumen der städtischen Volkshochschule Tagungen abhält, zu denen auch Referenten aus dem rechtsextremen Spektrum eingeladen werden. Zu keiner der Demonstrationen gegen die ZFI ist je ein/e Vertreter*in der CSU/FW- Stadtregierung erschienen. Gegründet hat die ZFI mein ehemaliger Geschichtslehrer am Ingolstädter Gnadenthal-Gymnasium, Dr. Alfred Schickel. Der Holocaust wurde in seinem Unterricht nie behandelt und nur in einem relativierenden Nebensatz erwähnt: „Es waren viel weniger als 6 Millionen Juden.“
Die Ermordung von 500 T Sinti und Roma hat Schickel in einem 1981 erschienenen Artikel als „Zahlenfiktion“ bezeichnet. 1997 wurde er in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt - im Zusammenhang mit Holocaust-Leugnern. Am Gnadenthal-Gymnasium unterrichtete Schickel bis zu seiner Pensionierung.
Meine politische Heimat sind die Grünen, mein Herz schlägt für den Antifaschismus. Am Samstag diskutiert ihr darüber, ob Bayern sich auf dem Weg nach rechts bewegt. Ich denke, dass genau das der Fall ist.
In Ingolstadt kann man die Spuren dieses Weges deutlich erkennen.
Im Unterschied zu Oberbürgermeistern anderer bayerischer Städte hat der Ingolstädter OB der Einrichtung eines Abschiebelagers 2015 – damals unter dem Titel „Projekt Balkanflüchtlinge“ - zugestimmt. In diesem Sommer wurde die Einrichtung umbenannt in ein „AnKER“-Zentrum. Integration der Geflüchteten und deren soziale Teilhabe sind dort ausdrücklich nicht erwünscht. Kaum jemand aus der Ingolstädter Bevölkerung bekommt die von Security martialisch bewachten und hinter Stacheldraht abgeschotteten Geflüchteten zu Gesicht. Während des Bundestagswahlkampfes hing ein Wahlplakat der NPD direkt vor einem der Abschiebelager am Audikreisel: „Mehr Geld für die Oma statt für Sinti und Roma". Zwei Anträgen auf sofortiges Entfernen dieser Plakate hat Herr Oberbürgermeister Lösel, vertreten durch Rechtsreferent Dirk Müller, vor dem Verwaltungsgericht widersprochen. Und in einem fünfseitigen Begründungsschreiben auf beschämende Weise und teilweise in Anlehnung an Aussagen der NPD argumentiert, warum besagtes Plakat die Gruppe der Sinti und Roma nicht „über die bisherigen Vorurteile hinaus böswillig und verächtlich" machen würde. Ein Vorgang, der nicht über das bisherige Maß hinaus verwundert bei einem Oberbürgermeister, welcher sich bislang kein einziges Mal blicken ließ auf Demos gegen Rechtsextreme oder gegen die ZFI. Auch nicht gegen die AfD. Angeblich wolle der Oberbürgermeister die AfD durch seinen Protest nicht aufwerten. Eine Taktik, die nachweislich nicht aufgegangen ist. Mit dem Ziel, potentielle Wähler*innen von der AfD auf ihre Seite zu ziehen, ist die CSU bei der Landtagswahl krachend gescheitert. Schlimmer noch: „Wer eine rechte Politik kopiert, holt damit keine Wähler zurück-aber etabliert deren Rhetorik und macht sie wählbar" (Süddeutsche Zeitung, 25.09.2017). Ein Blick nach Sachsen zeigt, dass der Mangel an klarer Kante gegen rechts der AfD in die Hände spielt.

Der schleichende Abschied von demokratischen Grundwerten zeigt sich in Ingolstadt auch im Kulturbereich: Diesen August wurde ein Konzert im Rahmen der Ingolstädter Orgeltage mit einer Uraufführung des Komponisten Robert Maximilian Helmschrott von den Veranstaltern „aus politischen Gründen“ abgesagt. Zuvor hatte sich der Komponist in einem Interview mit dem Donaukurier CSU-kritisch geäußert. Es entsteht der Eindruck, dass hier im vorauseilen-den Gehorsam die Kunstfreiheit beschnitten wurde. Wenn Künstlerinnen und Künstler sich politisch äußern wollen, müssen sie das dürfen- im Namen der Kunst- und der Meinungsfreiheit. Ihnen dies zu verwehren, bedeutet nichts anderes als Zensur.
Menschen wie ich, die sich auf der politischen Bühne und in der Kulturszene Ingolstadts bewegen, wissen aus Erfahrung: Wer öffentlich und außerhalb von Grünen Parteiveranstaltun-gen Kritik an der CSU äußert, riskiert in dieser Stadt mindestens einen Maulkorb.
Wenn jedoch das Feld der Kultur die allerersten Symptome zu spüren bekommt auf der Abbiegung nach rechts, dann bedeutet das gleichzeitig:Die Kultur hat die Macht, diesen Rechtsruck mit aufzuhalten.
Viele prominente Künstlerinnen und Künstler zeigen momentan Haltung gegen Rechtsextremismus und fordern den Rücktritt von Innenminister Seehofer. Viele von ihnen waren dabei, als im Sommer in München bei der Demo #ausgehetzt Tausende gegen eine „Politik der Angst“ seitens der CSU demonstrierten.
Als die AfD eine Parteiveranstaltung in unserem Ingolstädter Stadttheater abhielt, wurde sie von einem Banner des Theaterensembles direkt über dem Theatereingang begrüßt. Darauf stand das Motto der damaligen Spielzeit:
„Für eine offene Gesellschaft“.
Was mir Hoffnung macht, ist die Kraft und die Macht der Musik, der Kunst, des Theaters. Und ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit vereinten Kräften der Zivilgesellschaft, der Politik und der Kulturszene den Rechtsruck aufhalten können. Die Arbeit der VNN-BdA leistet dazu einen entscheidenden Beitrag. Denn nur durch das Gedenken an die Opfer von Faschismus, die lebendige Erinnerung an die NS-Verbrechen hat unsere Demokratie eine Chance.

Vielen Dank für euren wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft.
Ich wünsche euch eine erfolgreiche Konferenz mit vielen guten Gesprächen,

 

 

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