Agnes Krumwiede
Kunst und Politik

"Ein Armutszeugnis für Ingolstadt"

Stellungnahme anlässlich der Absage des Konzertes "Salamu" durch den Veranstalter

„Solidarität mit dem Komponisten Robert Maximilian Helmschrott: Die Absage des Konzertes „Salamu“ ist ein Armutszeugnis für Ingolstadt“

Über die Beweggründe von Münsterpfarrer Dekan Bernhard Oswald und dem Vorsitzenden des Vereins der Freunde der Musik am Ingolstädter Münster e.V. kann nur spekuliert werden. Auch diese mangelnde Transparenz hinterlässt einen schalen Beigeschmack angesichts der kurzfristigen Absage des Konzertes „Salamu“ aus „politischen Gründen“.
Es entsteht der Eindruck, dass hier lieber die Kunstfreiheit beschnitten und dem Publikum ein Konzerthighlight verwehrt wird, als ein Podium zu bieten für Kritik an der CSU. Offenbar ist bei den Verantwortlichen die Angst vor negativen Reaktionen und vor möglicherweise entstehenden Nachteilen stärker als die Bereitschaft zum Diskurs oder die persönliche Haltung.
Das verheißt nichts Gutes für das politische Klima in unserer Stadt.

Die Kunst ebenso wie die Wissenschaft in Deutschland ist frei.
Weder Politik noch Veranstalter dürfen sich einmischen bei künstlerischen Inhalten, selbst dann nicht, falls diese politische Kritik thematisieren. Wenn Künstlerinnen und Künstler sich politisch äußern wollen, müssen sie das dürfen- im Namen der Kunst- und der Meinungsfreiheit. Ihnen dies zu verwehren, bedeutet nichts anderes als Zensur.

Tausende demonstrierten am vergangenen Wochenende in München gegen eine „Politik der Angst“ seitens der CSU, darunter übrigens auch zahlreiche kirchliche Gruppen. Parallelen zu den Vorgängen im Vorfeld der Demo #ausgehetzt drängen sich auf: Die CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat forderte ein Demonstrationsverbot für städtische Theater und drohte dem Intendanten der Kammerspiele, Matthias Lilienthal, mit „dienstrechtlichen Konsequenzen“ weil dieser zur Teilnahme an der Demo aufgerufen hatte. Ihr Vorgehen begründete die CSU-Fraktion mit der „Neutralitätspflicht“ für die Beschäftigten städtischer Einrichtungen. Ganz ähnlich klingt die Begründung von Münsterpfarrer Bernhard Oswald für die Absage des Konzertes in Ingolstadt, auf „Aufführungen mit politischem Inhalt in der Kirche solle verzichtet werden“.

Da stellt sich die Frage: Wieviel Neutralität kann eine Gesellschaft eigentlich ertragen? Der Philosoph Geoffroy de Lasagnerie schreibt in „Denken in einer schlechten Welt“: „Weil wir in einer ungerechten, kritikwürdigen Welt leben, gibt es keine Neutralität.“

Anscheinend hat das Oberhaupt der katholischen Kirche weit weniger Probleme damit, sich klar zu positioniere. Erst vor kurzem forderte Papst Franziskus die Staatengemeinschaft auf, das Sterben von Flüchtlingen im Mittelmeer zu beenden. Viele Menschen erwarten von der katholischen Kirche, sich in diesen Zeiten stark zu machen für Humanität, Menschenrechte und christliche Werte. Die Absage eines Konzertes, das sich programmatisch in erster Linie dem Weltfrieden gewidmet hätte, passt ganz und gar nicht zu diesen Erwartungen.

Ingolstadt, 27.07.2018

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