Agnes Krumwiede
Kunst und Politik
20.10.2011

Rede im Plenum

Das Reformationsjubiläum 2017

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

5 Millionen Euro pro Jahr bis 2017 für die Lutherdekade erfordern eine transparente Kommunikation darüber, wofür diese Mittel verwendet werden sollen. Jedes Jahr haben die Veranstaltungen andere thematische Schwerpunkt, das nächste Jahr steht z.B. unter dem Motto Reformation und Musik.  
Ein Teil der Bundesfinanzierung wird in die Restaurierung und Vorbereitung der  Wirkungsstätten Martin Luthers fließen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass im vorliegenden Antrag Wert gelegt wird auf eine nachhaltige Ausrichtung des Reformationsjubiläums. Bei Veranstaltungen, bei der Herstellung von Info-Materialen, Kriterien der Klimaneutralität berücksichtigt werden.

Neben der investiven Vorbereitung auf das Großereignis im Jahr 2017 ist für uns die kulturelle und gesellschaftliche Dimension entscheidend. Zahlreiche Veranstaltungen sollen den Dialog zwischen Gesellschaft und Kirche programmatisch stärken. Wir begrüßen, dass dabei die kulturelle, künstlerische und wissenschaftliche Auseinandersetzung im Zentrum steht. Diese Chancen der kulturellen Begegnung innerhalb der Lutherdekade wollen wir in den nächsten Jahren politisch begleiten. Eine Fokussierung auf rein touristische Aspekte lehnen wir ab. Nicht ein möglichst repräsentatives Bild Luther- Deutschlands im Ausland steht für uns im Vordergrund, sondern die inhaltliche und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Luther, seiner Zeit und den Auswirkungen seiner Schriften.

Um die Trennung zwischen Staat und Kirche in der Organisationsstruktur zu bewahren, gibt es zwei Geschäftsstellen. Eine von staatlicher und die andere von kirchlicher Seite. Bestrebungen- auch seitens des BKM-  diese beiden Stellen zusammen zu legen, lehnen wir ab. Kirchliche und staatliche Zuständigkeiten müssen klar voneinander getrennt bleiben.

Ein Jubiläum mit dem Anspruch auf ein kirchliches und kulturgeschichtliches Ereignis von „Weltrang“  muss bei Projekten und Veranstaltungen alle Menschen ansprechen und einbeziehen - nicht nur Protestanten.  Außerdem darf sich die  Ausgestaltung der Jubiläumsfeierlichkeiten nicht auf einige wenige „Prestige-Events“ konzentrieren. Barrierefreiheit ist dabei genauso wichtig wie eine bundesweit flächendeckende vielfältige und abwechslungsreiche Veranstaltungsstruktur in den Städten ebenso wie im ländlichen Raum. Auch die Förderung des Dialogs mit anderen Religionen,  mit Nicht-Gläubigen und Atheisten sollte im Rahmen der Lutherdekade gestärkt werden.
Und: Es darf nicht um eine Verherrlichung Martin Luthers gehen. Auch kritische Fragen müssen aufgeworfen werden. Nur durch eine kritische Auseinandersetzung mit der Institution Kirche, der Person Martin Luther, den umfassenden Konsequenzen seiner Schriften auf die Geschichte wird die Lutherdekade ihren Aufgaben gerecht. Martin Luthers Wirken hatte viele Facetten mit prägender historischer Ausstrahlung.  Auf der einen Seite steht er als  Reformator und Modernisier der Kirche. Unbestritten ist sein Beitrag zur Demokratisierung, zur Entwicklung der deutschen Sprache und zum Zeitalter der Aufklärung durch die Stärkung der individuellen Eigenverantwortlichkeit und Gewissensentscheidung. Die unbequemen Schattenseiten zeigen Martin Luther als populären Vertreter des Antijudaismus. Einige Auszüge aus seinen Briefen und Predigten sind gerade auch durch die Brille der jüngeren deutschen Vergangenheit schwer verdaulich. Diese Aspekte dürfen im Glanz der Lutherdekade nicht untergehen. Im Gegenteil: Die Lutherdekade kann ein Forum der kritischen Reflektion bieten, um den Einfluss Luthers auf Vergangenheit und Gegenwart aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren.
In diesem Kontext sollte auch Moses Mendelssohn – der „jüdische Luther“, wie Daniel Barenboim ihn einmal bezeichnet hat-   und Mendelssohns wenig beachtete Bibel-Übersetzungen eine Rolle spielen.

Durch den vorliegenden Antrag sind die Rahmenbedingungen für das Jubiläum festgelegt. Als nächster Schritt muss die inhaltliche Ausrichtung, die Identifikation mit der Lutherdekade in der Bevölkerung gestärkt werden. Jetzt müssen die inhaltlichen Weichen gestellt werden für eine bunte Lutherdekade mit Events, Diskussionsrunden und Foren, die alle gesellschaftlichen und kulturellen Gruppen einladen zum mitreden, mitdenken und mitgestalten.

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