Agnes Krumwiede
Kunst und Politik
30.06.2011

Rede im Plenum

Digitalisierung des kulturellen Erbes (zu Protokoll)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ende 2011 soll die Deutsche Digitale Bibliothek  (DDB) in Betrieb gehen und an die Europäische Digitale Bibliothek „Europeana“ angegliedert werden. Die Erstellung der DDB ist von einschneidender Bedeutung für unsere Kultur- und Wissenschaftsnation. Unser kulturelles Erbe, wissenschaftliche ebenso wie literarische Werke sollen über das Internet für jeden in Deutschland erreichbar sein. Die DDB wird den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch entscheidend fördern und erleichtern.

Aufgrund der gesamtstaatlichen Bedeutung der DDB ist es Aufgabe der Bundesregierung, eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, mit gesetzlichen Regelungen zu flankieren und dafür die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Diese zentrale Forderung in den Anträgen der Linken und der SPD zur Digitalisierung des kulturellen Erbes unterstützen wir. Die Koalition hat es bisher nicht geschafft, sich klar für eine Digitalisierungsstrategie mit Finanzierungsmodell von Bundesseite zu bekennen. In der Frage der Finanzierung verweist die Koalition lediglich auf die mögliche Beteiligung privater Dritter – ohne dafür Kriterien zu definieren.

Eine entscheidende Frage im Zuge der Erstellung der DDB wird in allen drei vorliegenden Anträgen gar nicht oder nur am Rande behandelt, weit entfernt von konstruktiven Lösungsansätzen: Ohne gesicherte Rechtsverhältnisse beim Umgang mit vergriffenen Werken und sogenannten „verwaisten Werken“ steht der Start der DDB auf wackligen Beinen. Dies ist auch als Aufruf an die Bundesregierung zu verstehen, endlich einen Entwurf für den Dritten Korb zum Urheberrecht vorzulegen! Dieser Entwurf ist schon seit Monaten überfällig.  
Wie also kann der Umgang mit „verwaisten Werken“ geregelt werden? Wie müssen Kriterien einer sorgfältigen Suche nach den Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern ausgestaltet sein und wer definiert diese Kriterien? Wie kann sichergestellt werden, dass Werke nicht vorschnell zu verwaisten Werken erklärt werden? Erst vor kurzem, am 22. März 2011, ist Google mit seiner Entscheidung, anhand des erweiterten „Google Book Settlements“ die ungenehmigte Digitalisierung ganzer Werke durchzuführen, vor dem District Court of New York gescheitert. Dieses Gerichtsverfahren wird weltweit als Signal zur Stärkung der Urheberinnen und Urheber gewertet.

Es ist dringend notwendig, sich auf klare Kriterien für den Nachweis der sorgfältigen Suche nach den Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern zu einigen. Auch bei der Frage der Vergütung von Urheberinnen und Urhebern der in der DDB zu digitalisierenden Werke, bleiben die vorliegenden Anträge zu unkonkret. Wer soll die Mittelvergabe steuern, wo und wie können die Gelder zurück gelegt werden, solange sich der oder die RechteinhaberIn nicht meldet?
Mit all diesen offenen Fragen haben wir uns in unserem Antrag „Zugang zu verwaisten Werken erleichtern“ mit der Drucksachennummer 17/4695 beschäftigt. Denn nur mit einer zeitnahen Klärung der unsicheren Rechtsverhältnisse beim Umgang mit „verwaisten Werken“ kann die DDB planmäßig starten. Erst dann kann die Öffentlichkeit von der DDB profitieren.
Unser Antrag sieht vor, dass zunächst durch ein Fachgremium ein Kriterienkatalog zur sorgfältigen Suche nach den Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber entworfen werden muss, bevor die öffentliche Zugänglichmachung verwaister Werke erfolgen kann. Zur Verwaltung und Ausschüttung einer angemessenen Vergütung sollte der Gesetzgeber auf das etablierte System der kollektiven Rechtewahrnehmung zurückgreifen. Dafür wäre nach unserer Vorstellung die Neugründung einer von den Verwertungsgesellschaften gemeinsam verwalteten Zentralstelle für die öffentliche Zugänglichmachung verwaister Werke – ähnlich der Zentralstelle Bibliothekstantieme - sinnvoll, welche die Verwaltung der nicht vermittelbaren Vergütung für die verwaisten Werke übernimmt.  Außerdem enthält unser Antrag die Forderung nach einer Neuregelung im Abschnitt zu den Schranken des Urheberrechts im Urheberrechtsgesetz, welche Werknutzerinnen und -Nutzer im nichtkommerziellen Bereich von der Strafbarkeit und von Vergütungsansprüchen der Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber frei spricht. Eine Vergütung der Urheberinnen und Urheber soll ausschließlich durch die Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. Auch für die Grundlage der Rechtssicherheit bei der Digitalisierung von Werken, deren Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber nicht auffindbar sind, haben wir einen Lösungsvorschlag entwickelt: Diese öffentlichen Mittel dürfen nicht ohne Zeitlimit und späteren Verwendungszweck für die Betroffenen – Urheberinnen und Urheber ebenso wie Bibliotheken - bei den Verwertungsgesellschaften gesammelt werden. Aus unserer Sicht sollten die Einnahmen aus der öffentlichen Zugänglichmachung in der neu zu gründenden Zentralstelle zurückgestellt werden. Dafür muss die Zentralstelle ein kostenloses und öffentlich einsehbares Register führen. Sollte sich der Urheber innerhalb dieser Fünf-Jahres-Frist melden, schüttet die Zentralstelle der

Verwertungsgesellschaften die zurückgestellte Vergütung an den Urheber aus. Meldet sich innerhalb dieser fünf Jahre kein Urheber, schüttet die Verwertungsgesellschaft die Einnahmen für dessen Werk an die Sozialwerke der Verwertungsgesellschaften aus. Dieses von uns vorgeschlagene Verfahren könnte zur Stärkung der Sozialwerke beitragen, wovon wiederum die Urheberinnen und Urheber als Mitglieder der Verwertungsgesellschaften direkt profitieren würden. Die genannten Forderungen unseres Antrags sind notwendige Voraussetzungen, um die Erstellung der DDB erfolgreich zu realisieren. Eine Mittelaufstockung durch den Bund zur Digitalisierung muss mit der Schaffung von Rechtssicherheit zum Umgang mit verwaisten Werken und mit Konzepten zur Vergütung der Urheberinnen und Urheber Hand in Hand gehen. Wir begreifen deshalb die Forderungen unseres Antrags zu den verwaisten Werken als obligatorische inhaltliche  Ergänzungen zu den heute auf der Tagesordnung stehenden Anträgen.

Der Antrag der Fraktion Die Linke ist hier zu finden

Der Antrag der SPD ist hier zu finden

Der Antrag der CDU/CSU und der FDP ist hier zu finden

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