Agnes Krumwiede
Kunst und Politik
11.07.2012 Kleine Anfrage

Mit vergleichsweise wenig Mitteln viel bewegen – Die Tätigkeit der ZAV-Künstlervermittlung ausweiten!

Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Effektivität der Künstlervermittlung der Bundesagentur für Arbeit“ (BT-Drs. 17/9239)

Die Tätigkeit der ZAV-Künstlervermittlung

Um erwerbslosen und arbeitsuchenden Künstlerinnen und Künstlern mit ihren speziellen Bedürfnissen bei der Arbeitsvermittlung bedarfsgerechte Unterstützung anbieten zu können, wurde die Künstlervermittlung der Bundesagentur für Arbeit (BA) eingeführt. Die ZAV-Künstlervermittlung der Bundesagentur für Arbeit arbeitet mit 10 Teams an sieben Standorten (Hamburg, Hannover, Berlin, Leipzig, München, Stuttgart Köln). Im Jahr 2011 hatten die ZAV-Künstlervermittlungen insgesamt 108.142,57 EUR Budget zur Verfügung. Die ZAV-(=Zentrale Auslands- und Fachvermittlung)-Künstlervermittlungen sind mit 149 Stellen ausgestattet.
Primäres Ziel der Vermittlungstätigkeit ist das Zustandekommen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse, dazu gehören auch die Bewerberpräsentation auf der Internetseite und die Organisation von Nachwuchspräsentationen (Vorsingen, Vorspielen – z.B. auch vor Intendantinnen und Intendanten etc.). Darüber hinaus werden die Künstlerinnen und Künstler im Rahmen einer Hinweisberatung auch allgemein informiert, beispielsweise über Fragen zur sozialen Absicherung, zu Vertragsinhalten bei Engagements oder bei Steuerfragen. Die ZAV-Künstlervermittlung organisiert außerdem bei der Arbeitssuche unterstützende Maßnahmen wie z.B. Probespieltraining für Orchestermusikerinnen und -musiker.

Voraussetzungen für die Aufnahme in die Datei der ZAV-Künstlervermittlung

Grundsätzlich kann sich jede Künstlerin oder jeder Künstler für eine Aufnahme in die Vermittlungsdatei der Künstlervermittlung bewerben. Über die Aufnahme entscheidet der oder die VermittlerIn der ZAV. Diese Vermittlungsfachkräfte sind nach Aussage der Bundesregierung ausschließlich „Fachexpertinnen und Fachexperten mit einem besonderen beruflichen Hintergrund“. Bei der Aufnahme sind künstlerische und arbeitsmarktrechtliche Voraussetzungen relevant. Es findet auch eine Vermittlung in „periphere künstlerische Bereiche“ wie Mode und Komparserie statt. Über die Aufnahme in den Bewerberpool wird in jedem Einzelfall anhand der Bewerbungsunterlagen und/oder nach einem Vorsprechen, Vorsingen oder Vortanzen individuell entschieden. Ausschlaggebend ist die berufliche Qualifikation bzw. die künstlerisch-ästhetische Eignungseinschätzung der Vermittlungsfachkraft. Im Jahr 2011 waren nach Angaben der Bundesregierung 47.679 Arbeitssuchende und 24.690 arbeitslose Künstlerinnen und Künstler bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern gemeldet. Zum Vergleich: Bei der Künstlersozialkasse waren 2011 insgesamt 173.284 Künstlerinnen und Künstler gemeldet (60.767 aus dem Bereich Bildende Kunst, 47.613 aus dem Bereich Musik, 22.305 aus dem Bereich Darstellende Kunst und 42.599 aus der Rubrik Wort). Die meisten der bei den Arbeitsagenturen aus den Bereichen Schauspiel und Oper/Operette Gemeldeten sind Absolventinnen und Absolventen staatlicher Hochschulen, im Bereich Orchester werden ausschließlich Absolventen mit Hochschulabschluss angenommen. Etwa die Hälfte der aufgenommenen Tänzerinnen und Tänzer haben einen staatlichen Hochschulabschluss. Etwa 60 Prozent der Musicaldarstellerinnen und –Darsteller wurde an privaten Bildungseinrichtungen ausgebildet. Bei Unterhaltungsmusikerinnen und Musikern ebenso wie in den Bereichen „Show“, „Model“ oder „Komparse“ spielt der berufliche Abschluss eine untergeordnete Rolle.

Die ZAV-Künstlervermittlung vermittelt überwiegend in kurzzeitige Beschäftigungsverhältnisse

Obwohl die Bundesregierung angibt, dass sich die ZAV-Künstlervermittlung auf die „dauerhafte Eingliederung der Bewerberinnen und Bewerber in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse“ konzentriert, bleibt die Vermittlung in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse die Ausnahme: Die ZAV-Künstlervermittlungen vermitteln Künstlerinnen und Künstler überwiegend in kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse. Dies ist der künstlerischen Erwerbsrealität geschuldet: Beschäftigungsverhältnisse im Bereich Film/Fernsehen sind in der Regel auf einzelne Drehtage begrenzt, bei den Berufskategorien Show, Unterhaltungsmusik, Models, Komparsen und Visagisten handelt es sich meistens um befristete Beschäftigungsverhältnisse im Tages-und Wochenengagement. Fast alle durch die ZAV-Künstlervermittlung vermittelten Beschäftigungsverhältnisse haben eine Dauer von weniger als 7 Tagen. Im vergangenen Jahr wurden Künstlerinnen und Künstler in insgesamt 58.219 Beschäftigungsverhältnisse vermittelt, bei 54.783 handelte es sich um Beschäftigungen unter sieben Tagen. Lediglich 3.436 der Integrationen waren auf einen Zeitraum über sieben Tagen angelegt. Insgesamt waren 2011 rund 72.300 Künstlerinnen und Künstler arbeitssuchend und arbeitslos gemeldet, die sich rund 58.000 Integrationen untereinander aufteilten. Einige Künstlerinnen und Künstler wurden mehrfach vermittelt.

Ergebnisse und Konsequenzen der Beantwortung unserer KA durch die Bundesregierung

Auffälligstes Detail an der Beantwortung unserer KA durch die Bundesregierung ist, dass die Vermittlungstätigkeit von 2011 mit insgesamt 58.219 der ZAV-Künstlervermittlung im Vergleich zu 2005 mit 88.468 Vermittlungen um beinahe ein Drittel zurückgegangen ist. Auch unter Berücksichtigung der rückläufigen Anzahl als arbeitsuchend und arbeitslos gemeldeter Künstlerinnen und Künstler im Zeitraum bis 2011, ist ein Rückgang der Anzahl der Integrationen signifikant. Konnten bis 2007 noch in etwa gleich viele Integrationen vorgenommen werden wie Künstlerinnen und Künstler gemeldet waren, gab es 2007 einen Einbruch der Vermittlungsquote. Rund 85.000 Arbeitsuchende und Arbeitslose standen nur noch rund 58.000 Integrationen gegenüber, fast alle davon in Beschäftigungsverhältnissen unter sieben Tagen. Vor 2007 lag die Integration bei 90% im Verhältnis zur Gesamtzahl der Gemeldeten, 2007 waren es nur noch 70%.

Eine der Ursachen dafür liegt auf der Hand: Im Jahr 2007 wurden die ZAV-Künstlervermittlungen in Halle an der Saale, Frankfurt am Main und Rostock geschlossen, die Zahl der Stellen wurde um die Hälfte reduziert. Diese Maßnahmen erfolgten als Reaktion auf eine Forderung des Bundesrechnungshofes, die Aktivitäten der Künstlervermittlung einzuschränken, weil die Bundesagentur für Arbeit entgegen der damaligen Regelung im Sozialgesetzbuch (SGB) III § 36, Abs. 4 tätig wurde bei unständig Beschäftigten, die überwiegend selbständiger Tätigkeit nachgingen. Bereits in seinem Bericht „Aufwendige Künstlerdienste der Bundesagentur für Arbeit“ vom 31.8.2004 (BT-Drs.: 16/160 Nr. 41) hatte der Bundesrechnungshof die Praxis, „selbstständige Künstlerinnen und Künstler in selbstständige Tätigkeiten zu vermitteln“, kritisiert.

Diese Kritik des Bundesrechnungshofes kann rückwirkend als realitätsfern beurteilt werden. Flexible Beschäftigungsverhältnisse sind charakteristisch für die Erwerbsbiografien vieler Künstlerinnen und Künstler. Aufgrund massiver Kritik u.a. auch seitens des Deutschen Kulturrates an den Ausführungen des Bundesrechnungshofes, die zur Einschränkung der Aktivität der ZAV-Künstlervermittlung geführt hatte, wurde die Tätigkeit der ZAV-Künstlervermittlungen 2007 reformiert. Die Änderung des §36, Abs. 4 ermöglicht seitdem der ZAV-Künstlervermittlung, auch unständig beschäftigte Künstlerinnen und Künstler zu vermitteln sowie „auf Angebote zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit“ zu verweisen. Es wurde erkannt, dass Erwerbsbiografien von Künstlerinnen und Künstlern sich in der Regel aus Kurzzeitbeschäftigungen zusammensetzen und dieser Realität auch die Vermittlungstätigkeit der ZAV-Künstlervermittlung entsprechen muss.

Angesichts der durch die Beantwortung unserer KA durch die Bundesregierung dokumentierten regen Aktivität der ZAV-Künstlervermittlung - insbesondere im Bereich der kurzfristig Beschäftigten - muss die drastische Reduktion der ZAV-Künstlervermittlung von 2007 als Fehlentscheidung zuungunsten der beruflichen Integration von Künstlerinnen und Künstlern bewertet werden. 80 Prozent der freiberuflichen Künstlerinnen und Künstler sind heute auf kunstferne Nebenerwerbstätigkeit angewiesen, die Durchschnittsrente einer freiberuflichen Schauspielerin bzw. eines Schauspielers oder einer Tänzerin bzw. eines Tänzers nach 45 Jahren Einzahlung in die KSK liegt bei 427,50 EUR. Allein im Bereich der darstellenden Künste sind bundesweitweit mittlerweile 50 Prozent aller Theater- und Tanzschaffenden selbständig tätig (s. Report Darstellende Künste, 2010). Die Hälfte aller ausgebildeten Künstlerinnen und Künstler im Bereich Theater und Tanz ist somit auf die Vermittlung in Kurzzeitengagements und Projektarbeit angewiesen, um ihrer künstlerischen Bühnentätigkeit nachgehen und durch ihren künstlerischen Beruf ein Einkommen erwirtschaften zu können.

Die Bundesregierung muss endlich Konsequenzen ziehen, um der Entwicklung des „Künstlerprekariats“ Einhalt zu gebieten. Dazu gehört auch, bei der Bundesagentur für Arbeit darauf hinzuwirken, die Entscheidung von 2007 bezüglich einer Reduktion der ZAV-Künstlervermittlung zu revidieren. Vor allem für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger und für jene Künstlerinnen und Künstler, die (noch) nicht bekannt sind und sich die professionelle Vertretung durch eine Privatagentur nicht leisten können, sind die Beratungs- und Vermittlungsleistungen der ZAV-Künstlervermittlung ein notwendiges Instrument für ihre berufliche Integration.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum im Rahmen der Reformen zur Ausweitung der Tätigkeiten und Zuständigkeiten der ZAV-Künstlervermittlung die Schließung von Standorten nicht rückgängig gemacht wurde. In der Beantwortung unserer KA macht die Bundesregierung deutlich, dass eine Ausweitung der Standorte in absehbarer Zeit nicht geplant ist. Die Vermittlungs- und Beratungsdienste der ZAV-Künstlervermittlung sind ein Baustein, um Erwerbslosigkeit in künstlerischen Berufsfeldern vorzubeugen und der sich zunehmend verschlechternden sozialen und wirtschaftlichen Situation von Künstlerinnen und Künstlern entgegen zu wirken. Deshalb sollte die Bundesregierung gemeinsam mit der BA prüfen, wie eine Ausweitung der ZAV-Künstlervermittlung umgesetzt werden kann.

Die Kleine Anfrage und Antwort der Bundesregierung finden Sie hier.

Die Auswertung können Sie hier als PDF herunterladen.

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