Agnes Krumwiede
Kunst und Politik
08.03.2012

Rede im Plenum

Große Anfrage der SPD: Musikförderung durch den Bund

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir begrüßen die Große Anfrage der SPD sehr. Die Antworten sagen einiges aus über das Musikförderkonzept der Bundesregierung: Sie hat nämlich keins.
In ihrer Antwort gesteht die Regierung ein, dass eine Definition gesamtstaatlicher Relevanz konkretisiert werden muss. Wenn aber keine genaue Definition vorliegt, stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage überhaupt Mittel an Kulturinstitutionen und Festivals vergeben werden.
Die Wagner-Festspiele jedenfalls entwickeln sich für die Bundesregierung zur Götterdämmerung von gesamtstaatlicher Bedeutung. Nachdem mittlerweile der Bayerische Oberste Rechnungshof interveniert hat, ergreift der Kulturstaatsminister – lieber spät als nie – endlich die Initiative und sorgt hoffentlich dafür, dass die Wagner-Festspiele keine Exklusivveranstaltung zur Unterhaltung eines Fördervereins bleiben.


Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für musikalisches Schaffen steht nicht im Fokus der Bundesregierung. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von Musikern liegt bei 11 700 Euro. Altersarmut ist vorprogrammiert. Erschreckend hilflos sind die Antworten der Bundesregierung auf Fragen zur sozialen Absicherung und zur Altersvorsorge für Musiker: Jeder könne mit der Riester-Rente aufstocken, und die Einkünfte durch Urheber- und Leistungsschutzrechte seien ja auch eine geeignete Altersversorgung. In die Riester-Rente einzahlen kann nur, wer es sich leisten kann. Einkünfte durch Urheber- und Leistungsschutzrechte als Altersversorgungsquelle zu nennen, zeugt von Inkompetenz. Ganze Berufsgruppen im Bereich Musik, zum Beispiel die Instrumentallehrer, hat die Bundesregierung offenbar vergessen. Musikunterricht ist nicht urheberrechtlich geschützt.
Die Lage vieler Lehrkräfte im Bereich Musik ist prekär. Dabei übernehmen sie hauptsächlich die Förderung von Musik in Deutschland.
Wir haben Ihnen mit unserem Antrag, zum Beispiel zu Reformen des Arbeitslosengeld-I-Bezugs, ein allgemein gültiges Modell präsentiert, das Sie nur umsetzen müssten, um die Bedingungen für Künstler und Musiker zu verbessern. Außerdem brauchen wir branchenspezifische Mindestlöhne – auch im Kulturbetrieb.


Gravierende Schwachstellen offenbart die Bundesregierung auch bei der sogenannten Exportförderung. Was die Zuschüsse für Tourneen betrifft, sind deutsche Solokünstler und Bands gegenüber anderen Ländern klar im Nachteil. Exportförderung für Auslandstourneen erhalten bei uns in erster Linie prominente Bands, die es ja wohl am wenigsten nötig hätten.
Die Bundesregierung sollte sich am skandinavischen Vorbild orientieren und ein Programm zur Tourförderung von Bands auflegen. Ob Jazz, Hip-Hop, Rap, Punk oder Techno – bei fast allen Fragen nach der Förderung neuer musikalischer Ausdrucksformen verweist die Bundesregierung auf die „Initiative Musik“. Über 40 Millionen Euro gibt der Bund pro Jahr für Musikförderung aus, die „Initiative Musik“ bekommt 1,5 Millionen Euro.
Davon sollen so gut wie alle neuen Musikbereiche gefördert werden. Zum Vergleich: Die Wagner-Festspiele erhalten pro Jahr rund 2 Millionen Euro, und damit wird nur ein einziges Festival finanziert. Auch was die zeitgenössische Klassik betrifft, ist vonseiten der Bundesregierung Saure-Gurken-Zeit angesagt. Das erfolgreiche Programm „Netzwerk Neue Musik“ ist gerade ausgelaufen; jetzt klafft eine große Lücke bei der Förderung zeitgenössischer Klassik. Was an Neuem in der Musik entsteht, muss gleichberechtigt an Mitteln aus dem Kulturetat beteiligt werden.


Die Zukunft unserer Musiklandschaft besteht in einem Überwinden des qualitativ unterscheidenden Denkens in U- und E-Musik.
Wir brauchen ein anderes Kulturverständnis, eines ohne Scheuklappen. Das geht schon bei den Spielstätten los.
Ein Konzerthaus ist eine Spielstätte für alle. Dort sollten Angebote und Aufführungen für Jung und Alt, Reich oder Arm einen Platz finden. Opern, Theater und andere Institutionen müssen als Kulturerlebnisorte für alle Bedürfnisse begriffen und bespielt werden, nicht als exklusive Heimat einer Musikrichtung. Wir brauchen institutionelle und Projektförderung, bei der Interaktion von Musikbereichen, also Jugendkultur, Pop und Klassik, genauso vorgesehen ist wie eine Mindestgage, ein ausgewogener Frauenanteil und der interkulturelle Austausch.
Es gibt viel zu tun. Ich freue mich darauf, mit Ihnen gemeinsam ein Musikförderkonzept zu entwickeln, das unserer Tradition als dem Land der großen Komponisten gerecht wird.
Vielen Dank.

Eine Videoaufzeichnung der Rede finden Sier hier

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