Agnes Krumwiede
Kunst und Politik
24.11.2010

Rede im Plenum

Abschließende Beratung der Bundesregierung zum Einzelplan 04 des Bundeshaushalts 2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen

Die Bereinigungssitzung hat dem Kulturetat für 2011 einige Überraschungseier beschert.
5 Mio. Euro mehr zur Verstärkung kultureller Förderung – 2 Mio. Euro zusätzlich für die Bundeskulturstiftung.
Überraschungseier haben leider einen Nachteil: Man weiß nicht genau, was drin ist.
Mittel für die Kultur zu organisieren, ist das eine. Aber Transparenz darüber zu schaffen, was mit diesen Geldern passieren soll, das wäre genauso wichtig. Der Kulturhaushalt bleibt nebulös, was die gezielte Unterstützung von Künstlern oder die kulturelle Förderung betrifft. Konkret dagegen sind die Geschenke an die Vertriebenenverbände oder an Herrn Neumanns Wahlkreis Bremen: Mit der Begründung der „gesamtstaatlichen Bedeutung“ bekommt die Bremer Kunsthalle 5 Mio. Euro für einen Anbau. Über den roten Teppich der Bayreuther Festspiele darf das Kabinett auch 2011 wieder als Finanzierungspartner schreiten – 2,3 Mio. Euro bekommt Bayreuth im nächsten Jahr vom Bund. Wir Grünen sind keine Anti-Opern-Partei. Aber es tut uns leid um all die Festspiele, Bühnen und Museen die von Kürzungen bedroht sind und leider nicht das Privileg gesamtstaatlicher Bedeutung zugesprochen bekommen.
Warum werden immer die Kulturevents mit Bundesmitteln vergoldet, die sowieso schon glänzen?

Zwei Drittel der Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland sind arm. Sie leben unterhalb der Armutsgrenze.
Auf unsere Anregung hin hat sich der Kulturausschuss zum ersten Mal in seiner Geschichte ausführlich mit dem Thema Tanz beschäftigt. Wegen der enormen körperlichen Belastung ist die Karriere für die meisten Tänzer mit 35 Jahren beendet. Umschulungsmaßnahmen in einen dem Tanz verwandten Beruf bekommen sie in der Regel vom Arbeitsamt nicht finanziert. Die Stiftung „TANZ – Transition Zentrum Deutschland“ unterstützt Tänzer beim Übergang in einen neuen Beruf. Ab April 2011 ist die Weiterführung der Stiftung nicht mehr gesichert. Unseren Haushaltsantrag zur Förderung von Transition hat die Regierung abgelehnt.
Ich bin fassungslos, dass Sie bei einem Etat von 1 Mrd. Euro keine 50.000 Euro für den Tanz übrig haben. Unsere Tanzkultur ist genau so von gesamtstaatlicher Bedeutung wie der Wagnerkult.
Rein aus Prinzip und ohne Empathie für die Kreativen Vorschläge der Opposition abzuschmettern, das dient nicht den Künstlerinnen und Künstlern in unserem Land und auch nicht unserer demokratischen Kultur.
Immerhin: Unseren Antrag, den Bundesverband Freie Theater mit 100.000 Euro zu unterstützen, wollen Sie umsetzen. Und vielleicht steckt ja hinter den 2 Mio. Euro für die Kulturstiftung des Bundes unser Vorschlag, ein Förderprogramm für Jugendkultur aufzulegen.
Unser Konzept möchte Workshops mit pädagogisch erfahrenen Künstlern an Bildungseinrichtungen fördern. Denn Bildungsgutscheine ohne Anreize sind sinnlos. Ein Kind, das den Wert von Musik nie vermittelt bekommen hat, wird sich wohl kaum für Musikschul-Gutscheine begeistern können. Deshalb gehören mehr kreative Angebote an die Schulen.
Im Rahmen des Streichkonzerts der Bundesregierung innerhalb der Städtebauförderung, wurde das Programm der Sozialen Stadt auf rein investive Maßnahmen zusammengeschrumpft. Unser Programm zur Stärkung von Jugendkultur wäre eine geeignete Lösung, trotzdem kulturelle und integrative Projektförderung in benachteiligten Stadtbezirken zu ermöglichen.

Kultur hat ihren eigenen Wert - unabhängig vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen. Aber die aktive Teilhabe an Kunst kann helfen, Defizite unserer Leistungs- und Stress-Gesellschaft zu kompensieren: Fantasie, Selbstvertrauen, mehr Respekt und Toleranz – all das kann vielseitig verstandene Kulturförderung positiv beeinflussen. Mehr Raum, Zeit und Mittel für Jugendkultur bedeuten weniger seelische Obdachlosigkeit bei Kindern und Jugendlichen.
Die Mittel zur Auflegung unseres Förderprogrammes sind jetzt - dank Ihnen, Herr Neumann - vorhanden. Setzen Sie sich dafür ein, dass unser Programm „Jugendkultur Jetzt“ durch die Kulturstiftung des Bundes aufgelegt wird.

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