Agnes Krumwiede
Kunst und Politik
17.09.2013 Stellungnahme

Stellungnahme zur Künstlersozialkasse

Stellungnahme von Markus Kurth MdB, Sprecher für Sozial- und Behindertenpolitik, und Agnes Krumwiede, Sprecherin für Kulturpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Wir stehen zur Künstlersozialkasse und werden bei der Einführung der Bürgerversicherung die Prinzipien der Künstlersozialversicherung erhalten. Bündnis 90/Die Grünen wehren sich gegen die Versuche der Regierungskoalition, die Finanzierungsgrundlage der KSK zu schwächen und nicht konsequent alle Abgabepflichtigen in die Solidargemeinschaft einzahlen zu lassen.

Wir wollen die Kranken- und die Pflegeversicherung zu Bürgerversicherungen weiterentwickeln. Aller-dings sind wir uns darüber im Klaren, dass die Künstlersozialversicherung in ihren beitragsrechtlichen Grundzügen stark auf die besondere Arbeits- und Lebenssituation ihrer Mitglieder zugeschnitten ist. Sie wird sich daher nur langfristig in eine Bürgerversicherung integrieren lassen, die Prinzipien der Künstlersozialversicherung wollen wir dabei erhalten. Diese Sonderstellung lässt sich historisch erklären. Die gesetzlichen Regelungen sind kompliziert. Das Recht und die Zuständigkeit sind zersplittert. Die Schwierigkeiten nehmen noch dadurch zu, dass Beschäftigungsformen immer fließender geworden sind und viele Kulturschaffende ihren beruflichen Status im Laufe des Lebens immer wieder wechseln: Mal sind sie selbstständig, mal sind sie abhängig beschäftigt, mal beides zugleich. Die Künstlersozialversicherung ist eine sozialpolitische Errungenschaft, die einen Teil dieser strukturellen Benachteiligungen abfedern kann und ein wichtiges Instrument für die soziale Absicherung und Integration von Künstlerinnen und Künstlern in die bewährten Sozialversicherungssysteme.

Seitens der Arbeitgeber besteht seit Längerem das Bestreben, das Solidarprinzip aufzuweichen. Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) fordert seit 2009 eine Entbürokratisierung der Künstlersozialabgabe und schlägt vor, dass der Verwerteranteil direkt in den Rechnungen mit aus-gewiesen sein sollte und von denKünstlern an die KSK zu überweisen sei, so sieht es das sogenannte vor.

Hinter dieser vermeintlichen Entbürokratisierung verbirgt sich allerdings vor allem eines: eine Entsolidarisierung und einseitige Entlastung der Verwerter. Das Grundproblem einer stabilen Finanzie-rung, die alle Verwerter einbezieht, löst dieser Ansatz nicht. Das Gleiche gilt für das Projekt "Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung" (OMS), das das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) derzeit prüft. Das OMS sieht vor, dass Unternehmen die Beträge, die sie für Erhalt oder Nutzung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen leisten, elektronisch an die Sozialversicherungsträger übermittelt werden. Ein solches Verfahren löst das Grundproblem der KSK aber nicht. Die elektronische Übermittlung der Beträge verhindert nicht, dass Unternehmen die Beträge nicht oder nicht vollständig bei der Künstlersozialkasse angeben. Korrekte Angaben sind aber Voraussetzung für eine finanzielle Sicherung der KSK.

Es besteht dringender Handlungsbedarf. Der Prozentsatz der Künstlersozialabgabe wird jährliche festgelegt. So wird sichergestellt, dass veränderte Bedarfe der KSK gedeckt werden. Für 2014 hat das BMAS eine Anhebung der Künstlersozialabgabe von 4,1% auf 5,2% festgesetzt.Dass der Anstieg der Künstlersozialabgabe so deutlich ausfällt, nachdem er in den Jahren zuvor vergleichsweise konstant bei ca. 4% aller Honorarzahlungen gelegen hat, ist neben der erwarteten Vergrößerung des Versichertenbestandes auch darauf zurückzuführen, dass die Künstlersozialabgabe nicht von allen Verwertern pflichtgemäß abgeführt wird. Darum wollen wir Grüne, dass die Unternehmen in Zukunft stärker auf ihre Abgabepflicht hin kontrolliert werden.

Eine entsprechende Überprüfung war im Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-NOG) vorgesehen. Die geplante Konkretisierung von §28p SGB IV sah vor, dass die Rentenversicherung alle Arbeitgeber turnusmäßig alle vier Jahre darauf hin überprüfen sollte, "ob diese ihre Meldepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz ordnungsgemäß erfüllen und die Künstlersozialabgabe rechtzeitig und vollständig entrichten."

Die geplante Klarstellung wurde durch einen Änderungsantrag von CDU/CSU und FDP (17(11)1189) allerdings wieder aus dem BUK-NOG gestrichen. In der Begründung zu dieser Rücknahme hieß es: "die Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes [könne] auf Grundlage des derzeit geltenden Rechts erreicht werden". Damit liegt die Entscheidung darüber, welche Arbeitgeber wann geprüft werden wieder komplett bei den Trägern der Rentenversicherung. Wir haben diese Entscheidung in den Ausschüssen kritisiert und dabei sowohl auf die Belange der Versicherten als auch derjenigen Verwerter, die die Künstlersozialabgabe bereits zahlen, hingewiesen. Die Pressemitteilung der Sprecherin für Kulturpolitik, Agnes Krumwiede MdB, können Sie hier abrufen.

Am 22. April 2013 hatte der Ausschuss für Arbeit und Soziales eine öffentliche Anhörung zum BUK-NOG durchgeführt, bei der die Frage der Künstlersozialversicherung ein Schwerpunktthema bildete. Die Deutsche Rentenversicherung hatte damals argumentiert, dass eine gesetzliche Vorgabe, die einen vierjährigen Prüfturnus für alle Arbeitgeber verbindlich festlege, nicht zu einer substantiellen Erhöhung zahlungspflichtiger Arbeitgeber führen würde. Im Gegenzug würde solch ein gesetzlich festgesetztes Prüfverfahren aber erhebliche Kosten verursachen, weil dann nicht mehr 70 000, sondern 800 000 Arbeitgeber überprüft werden müssten. Der zusätzliche Kostenaufwand wurde mit 50 Millionen Euro beziffert. Die Prognose für die Mehreinnahmen, die durch die Ausweitung der Kontrollen zu erwarten seien, lag bei 16 Millionen Euro. Darum sei der vorgesehene 4-Jahres-Rhythmus unverhältnismäßig.

Wir halten diese Argumentation für vorgeschoben. Allerdings - das muss man einräumen - fehlen be-lastbare Daten, auf deren Grundlage das Verhältnis von Kosten und Nutzen einer gesetzlich festge-schriebenen Überprüfung zuverlässig kalkuliert werden kann. Vor diesem Hintergrund muss die flächendeckende Einbeziehung der Verwerter in die Künstlersozialkasse realisiert werden. Die umfassende und effektive Einbeziehung aller Verwerter ist sowohl aus Gründen der Gerechtigkeit gegenüber den bereits zahlenden Verwertern geboten als auch um die finanzielle Ausstattung der Künstlersozialversicherung zu sichern. Die bereits zahlenden Verwerter würden benachteiligt, weil ihnen durch die wachsende Zahl der in der Künstlersozialversicherung versicherten Personen ein Beitragsanstieg droht. Die Erhöhung der Künstlersozialabgabe in 2014 auf 5,2% ist ein deutliches Alarmsignal in diese Richtung.

Für breite und regelmäßige Kontrollen spricht, dass nicht nur die Zahl der Versicherten steigt - immer mehr Selbstständige aus dem Umfeld von Kulturberufen sowie aus expandierenden Kreativberufen (z.B. Web-DesignerInnen oder Kreative aus der Werbebranche) werden als Mitglieder der Künstlersozialkasse anerkannt -, sondern auch die der Verwerter. Davon anzugehen, dass alle Verwerter ihre Abgabepflicht kennen und tatsächlich wahrnehmen, ist illusorisch. Die Enquetekommission "Kultur in Deutschland" erklärte in ihrem Endbericht die Tatsache, dass die Zahl der Verwerter im Unterschied zur Zahl der Versicherten nur langsam steige, damit, dass vielen Unternehmen ihre Abgabepflicht noch immer nicht bekannt sei. Das führt letztlich zu Akzeptanzproblemen bei jenen Unternehmen, die wegen der fehlenden Beiträge der "unwissenden" und nicht überprüften Unternehmen eine höhere Abgabelast tragen müssen.
Dieses Defizit könnte eine gesetzlich festgeschriebene, regelmäßige Kontrolle ausräumen und damit dazu beitragen, dass die Kosten der Künstlersozialkasse breiter gestreut werden und damit auch ihre Akzeptanz wächst.

Die Verwerter tragen eine arbeitgeberähnliche Verantwortung für die von ihnen beauftragten selbständigen Künstler und Publizisten. Es muss sichergestellt werden, dass sie dieser Verantwortung auch nachkommen. Umfassende Kontrollen sind dafür ein wirkungsvolles und notwendiges Instrument. Die verstärkten Prüfungen der abgabepflichtigen Verwertungsunternehmen und der Versicherten haben in der Vergangenheit sichergestellt, dass die Künstlersozialversicherung finanzierbar bleibt.

Je mehr Institutionen Beiträge in die Künstlersozialversicherung einzahlen, desto geringer werden auch die Beiträge für alle Beteiligten. Hinter der Reform der Künstlersozialversicherung von 2007 stand der Gedanke, die Solidarität unter und für die Kunst- und Kulturschaffenden in Deutschland zu stärken. Dieses Anliegen unterstützt Bündnis 90/ Die Grünen nach wie vor. Das aktuelle Petitionsverfahren ermöglicht es nun, sich der Thematik parlamentarisch erneut anzunehmen. Wir hoffen auf einen besseren Ausgang und werden uns in der neuen Legislaturperiode nach Abwägung von Kosten und Nutzen für eine turnusgemäße Prüfung einsetzen.

Die Stellungnahme können Sie hier als PDF downloaden.

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